Prägnanz in technischem Englisch

Das zweite Erfolgsprinzip für effektives technisches Englisch: Prägnanz

In Teil 1 habe ich das erste Prinzip der effektiven Kommunikation in technischem Englisch für Nicht-Muttersprachler vorgestellt: Deutlichkeit.

Wenn du noch nicht gelesen hast, wie wichtig Deutlichkeit im technischen Englisch ist, solltest du dies tun, bevor wir anfangen.

Aufgeholt? Bereit? Okay, dann lass uns weitermachen.

Jetzt wird es Zeit, das passende Gegenstück zur Deutlichkeit zu lernen – ein Konzept der wenigen Worte:

Prinzip Nr. 2: Prägnanz

Weniger ist mehr.

Bevor wir anfangen, ist es wichtig zu wissen, dass Deutlichkeit und Prägnanz nicht Yin und Yang sind. Weder sind sie Gegenteile, noch gleichen sie sich gegenseitig aus. Stattdessen ergänzen sie sich.

Und damit meine ich:

Eine deutliche Nachricht ist prägnant, eine prägnante Nachricht ist deutlich.

In Teil 1 habe ich erwähnt, dass durch die Verwendung von Phrasal Verbs Verwirrung entstehen kann, da die Wortreihenfolge flexibel wird. Außerdem werden zwei oder mehr Worte statt einem benutzt.

Im Ingenieurwesen wissen wir, dass sich durch wachsende Komplexität auch die Stabilität eines Systems verringert.

Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit für Fehler steigt, je komplizierter das System wird.

Nun ja, das gleiche Konzept gilt für technische Kommunikation.

Wieso?

Jedes Wort einer Nachricht macht diese komplexer.

Je mehr Worte die Nachricht also hat (höhere Komplexität), desto größer die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlinterpretation (Versagen) des Empfängers.

Das ist Prägnanz.

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Wie Prägnanz erreicht wird

Eine prägnante Nachricht zu erstellen kann ein heikler Balance-Akt sein.

Zum einen möchte man die Nachricht so kurz wie möglich halten. Zum anderen riskiert man mit übermäßiger Prägnanz wichtige Informationen wegzulassen.

Darüber hinaus ist es auch sehr wichtig, sich vor Augen zu führen in welcher Beziehung man zu dem Empfänger steht und was der Zweck der Nachricht ist.

Das meine ich wie folgt:

Bei der Kommunikation zwischen zwei Ingenieuren aus verschiedenen Firmen, die bereits am selben Projekt arbeiten (genau wie zwei Subunternehmer an der gleichen Baustelle), sollten diese auf das höchste Maß an Prägnanz bedacht sein.

Wenn bereits sämtliche Verträge unter Dach und Fach sind, alle Rollen verteilt und das Projektziel bereits festgelegt wurde, sollte technische Kommunikation nur noch die Fakten und Zahlen enthalten, die jeder Beteiligte braucht, um seine Arbeit zu machen.

Poesie ist hier fehl am Platz – drücke dich kurz aus.

Aber:

Verkaufsangestellte einer industriellen Firma, oder Menschen im Tech-Support, sollten ihre Kommunikation allerdings mit mehr Bedacht gestalten.

Man kann auf den Kunden desinteressiert oder gleichgültig wirken, wenn zu prägnant kommuniziert wird.

Also ist es in Ordnung das Ganze ein wenig aufzubauschen und die technischen Informationen ein bisschen... hübscher zu machen.

Ein gutes Urteilsvermögen ist die beste Eigenschaft, um das Maß an Prägnanz in deiner Nachricht festzulegen.

Trotzdem sind hier zwei kurze Tipps, die dir helfen deine Kommunikation mit technischem Englisch prägnanter zu machen:

Garantiert haben all meine Schüler diesen Satz irgendwann schon einmal von mir gehört – er ist eines der Mantras meines Englischunterrichts.

Weniger ist mehr.

Das Modalverb “must” (andere Beispiele: should, may, can) hat weder eine Vergangenheits-, noch eine Zukunftsform. Um also die Bedeutung in der richtigen Zeitform zu vermitteln, müssen wir jeweils “had to” oder “will have to” benutzen.

Nicht-Muttersprachler verfallen oft in die Gewohnheit nur “have to” in der Gegenwartsform zu verwenden. Das ist aber eine ziemlich schlechte Angewohnheit.

Das Wort “have” ist eines der gebräuchlichsten Worte im Englischen. Das gilt auch für das Wort “to”.

Wenn zum Beispiel technische Beschreibungen in der Gegenwartsform geschrieben werden, warum sollte man dann “have” und “to” benutzen, wenn man sich doch viel deutlicher und prägnanter mit dem Wort “must” ausdrücken kann?

Ein Wort mit einer Bedeutung, ODER zwei Worte, die sowieso schon in fast jedem Satz vorkommen.

Kein Zweifel was die bessere Wahl ist.

Denke jetzt einmal darüber nach, wie es sich mit “can” und “was/am/will be able” verhält.

Wieder einmal mag dir die Bedeutung der Worte klar sein, aber wir können uns trotzdem nicht sicher sein, ob sie von dem Kerl, der versucht deine Nachricht Wort für Wort mit einem Wörterbuch zu entschlüsseln, richtig interpretiert werden.

Ich habe es so satt, das zu hören, aber wenn es irgendwo Sinn macht, dann beim technischen Schreiben.

Jetzt gehen wir von der Theorie in die Praxis über. Ich gebe dir einfach drei Beispiele, wie das Vereinfachen von Schlüsselsätzen deine Texte letztendlich prägnanter macht.

Schlecht: "I was hoping that you might be able to provide something along those lines."
Gut: "If possible, please provide something similar."

Schlecht: "In spite of the fact that the deadline is near, there is no solution at this present time."
Gut: "Although the deadline is near, there is currently no solution."

Schlecht: "By acting on such information in a timelier manner, significant savings can be gained."
Gut: "Faster reaction to such information can reduce costs."

Abschluss

Hier ist sie also – die zweiköpfige Gottheit des technischen Schreibens: Deutlichkeit und Prägnanz.

Eine deutliche Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg eines jeden Projekts.

Wenn du dich an meine zwei Hauptprinzipien des technischen Englisch hältst, hilft dir dies dafür zu sorgen, dass jeder, der deine Nachricht liest, sie immer auf die selbe Weise interpretiert, egal wie gut die Englischkenntnisse sind. Das spart Zeit, senkt Kosten und führt zu Ergebnissen.

Wie ich bereits erwähnte, ergänzen sich Deutlichkeit und Prägnanz.

Merke dir also Folgendes:

Konzentriere dich auf Deutlichkeit und du wirst die Prägnanz erhöhen.
Konzentriere dich auf Prägnanz und du wirst die Deutlichkeit erhöhen.
Konzentriere dich auf beides und du wirst mit technischem Englisch effektiv kommunizieren.

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